Vor einiger Zeit ging unsere alte Karrette kaputt. Sie hatte uns im Garten gute Dienste geleistet. Etwa um wertvollen Kompost auf die Gemüsebeete zu transportieren. Irgendwann hielt das Holz der Belastung jedoch nicht mehr stand. Der Holm brach. Das Rad stand schief.
Einige Zeit stand die Karrette danach unbrauchbar im Garten. Dabei ist sie uns zum Sinnbild für die Situation vieler Gäste geworden. Auch bei ihnen ist etwas unerwartet gebrochen. Sie können nicht mehr «funktionieren» wie bisher.
Es stellt sich ihnen die Frage: Wie weiter?
Wenn sich Menschen Zeit nehmen für diese Frage, verändert sich oft der Blickwinkel.
Die Antwort lautet dann vielleicht nicht mehr: So schnell wie möglich wieder zurück ins alte Leben. Sondern: Es ist etwas passiert, das sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Ich muss es in mein Leben integrieren und lernen, damit weiterzugehen.
Der Sonnenhügel ist seit 30 Jahren ein Ort, der Halt bietet
Seit nunmehr 30 Jahren ist der Sonnenhügel ein solcher Ort. Seit 30 Jahren finden hier Menschen zu ihrem eigenen Leben zurück. Nicht bloss zum vordergründigen Glücklichsein, sondern zu dem, was sie im innersten trägt und nährt.
Das braucht Zeit.
Und das braucht einen Ort, wo ich währenddessen sein kann.
Ein Ort, der Halt bietet und gleichzeitig Freiraum lässt.
Ein Ort, wo ich nicht allein bin.
Ein Ort, wo ich sein darf, wie ich bin.
Manche Gäste erzählen uns vom Schmerz, dass ihnen an anderen Orten, etwa in einer Klinik, das Gefühl vermittelt wurde, dass sie möglichst bald wieder funktionieren sollten. Im Gegensatz dazu erleben sie auf dem Sonnenhügel Begegnungen auf Augenhöhe.
Das hat mit einer Eigenheit unseres Hauses zu tun: Auch wir in der Kerngemeinschaft tun nichts anderes, als unser Leben zu leben. Wir leben nicht für die Gäste, sondern mit ihnen. Wir teilen, was wir haben, und dadurch entsteht etwas Grösseres, das auch uns trägt. Auch wir wissen nicht auf alles eine Antwort. Im gemeinsamen Aushalten jedoch hält das Leben oft Überraschendes für uns bereit.
Vielleicht hält dein Leben noch eine Überraschung bereit
Zum Beispiel auch mit unserer kaputten Karrette. Wir konnten keinen passenden Holm finden, um sie zu reparieren. So stand sie länger als geplant unbewegt im Garten – und dabei geschah ein kleines Wunder. Denn es lag noch ein kleiner Rest Kompost in der Karrette. Und aus diesem spross eines Tages neues Leben. Samen, die von irgendwo hergeflogen kamen, keimten und wuchsen. Plötzlich fiel uns wie Schuppen von den Augen: Die Karrette muss nicht mehr zwingend als Karrette funktionieren. Sie könnte zu einem Pflanzkübel werden, voller buntem Leben.
So ist das Bild der blühenden Karrette mit dem schiefen Rad für uns ein Sinnbild, wie Menschen zu ihrem Leben zurückfinden können.
